Trotz Zuwanderung und Geburtenüberschuß im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts blieb die Emigration aus den rheinischen Territorien gering, denn hier gewährleisteten eine relativ leistungsstarke Landwirtschaft und der Aufschwung der vorindustriellen Gewerbe eine weitgehend ausreichende Versorgung. Deshalb haben bei den meisten Auswanderern subjektive Motivationen die objektiven Auswanderungsgründe übertroffen. Aus Sorge um die Wirtschaftskraft verhängten außerdem viele rheinische Landesherren Verbote, die nur Arme und soziale Außenseiter aussparten. In den linksrheinischen Gebieten führten erst die Franzosen 1799 Freizügigkeit ein, die ab 1818 mit Einschränkungen auch in der preußischen Rheinprovinz galt.

Nach der seit 1844 offiziell geführten Statistik, deren Zahlen aber zu niedrig sein dürften, kamen zwei Drittel der Emigranten aus den Regierungsbezirken Trier und Koblenz. Die Bereitschaft zur Massenauswanderung im 19. Jahrhundert war Folge der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten aufgrund langfristig wirkender struktureller Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft im Zuge der Industrialisierung, die durch die Wirtschaftspolitik noch verschärft wurde. Im Gegensatz zu anderen Gebieten gelang es weder den französischen noch den preußischen Behörden in der Rheinprovinz, die Nahrungsversorgung für die seit Ende des 18. Jahrhunderts stark wachsende Bevölkerung in ausreichendem Maße auszuweiten. Daneben war in den Rheinlanden bis 1871 auch die Vermeidung des verhaßten preußischen Militärdienstes ein wichtiger Auswanderungsgrund.

Aufgrund der fortschreitenden Proletarisierung breiter Bevölkerungsschichten, die zu Massenauswanderungsbewegungen führten, kann für die 1840er und 1850er Jahre die Auswanderung aus wirtschaftlich-sozialen Gründen für die Rheinprovinz als notwendiges Ventil bezeichnet werden.

Bei der Strukturierung des Migrationsprozesses aus dem Rheinland besaßen personelle Verbindungen und Kettenwanderungen den größten Einfluß. Aber auch gezielte Siedlungsprojekte zeigten regional unterschiedlich durchaus Wirkung: Der 1845 von Prinz Solms-Braunfels zur Kolonisation Texas’ gegründete Adelsverein machte zwar 1847 bankrott, seine Siedlungsplätze waren aber auch später noch für rheinische Auswanderer attraktiv. Ebenso hatten katholische Siedlungsprojekte ganz unterschiedlichen Erfolg, aber offensichtlich fanden sich Katholiken eher in Siedlergruppen zusammen als Protestanten.
Zudem bestimmte der berufliche und persönliche Hintergrund die Wahl des Zielortes. Der bevorzugte Zielort blieb bis in die 1880er Jahre die ländliche Region, weil fast nur Junggesellen in den Städten siedelten. Auch das frühere Arbeitsumfeld spiegelt sich in der Wahl wider, denn Personen des ersten Beschäftigungssektors siedelten im Mittleren Westen, Handwerker waren am meisten im Süden und im unteren Westen vertreten, während Beschäftigte des dritten Sektors vor allem in den Nordosten zogen.

Aus dem Regierungsbezirk Aachen bevorzugten z.B. im 19. Jahrhundert 38 % der Auswanderer Texas, aus Düsseldorf 44% die Richtung New Jersey und aus dem Regierungsbezirk Köln zogen 32% der Auswanderer nach Lousiana.


Quellen:

1. Tagungsbericht Schöne Neue Welt - Auswanderung aus dem Rheinland nach Nordamerika vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. 15.05.2000-17.05.2000, Pulheim, in: H-Soz-u-Kult, 07.08.2000, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1990>. [Stand: 30.03.2012]