Charakteristisch für die Agrargesellschaften des Mittelalters und der frühen Neuzeit war eine hohe Sterblichkeit. Vor allem die Kindersterblichkeit war hoch. Die Hälfte aller Neugeborenen verstarb in den ersten Lebensjahren. Im Schnitt betrug die Lebenserwartung nur 20 bis 40 Jahre.
Durch die vielen Schwangerschaften und Geburten - 20 Niederkünfte in einer Ehe waren keine Seltenheit - und die schweren körperlichen Haus- und Feldarbeiten lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei den Frauen nur bei 29,8 Jahren. Denn Empfängnisverhütung wurde wie die Abtreibung durch den Einfluß der Geistlichen mit dem Tode bestraft.
Die Männer dagegen waren (bzw. sind) besonders in den ersten zwei Jahren ihres Lebens leicht anfällig für Krankheiten. Wenn sie diese kritische Zeit überwunden hatten, erreichten sie ein Lebensalter zwischen 40 und 60 Jahren. Die hohe männliche Sterberate bei Kleinkindern drückte die durchschnittliche männliche Lebenserwartung aber auf 28,4 Jahre.
Laut des Historikers Klaus Arnold starb im Mittelalter eines von zwei geborenen Kindern bereits im ersten Lebensjahr. Auch in guten Zeiten starb jedes fünfte Kind, bevor es zwei Jahre alt werden konnte. Von den 20 Kindern einer mittelalterlichen Mutter erreichten letztendlich nicht mehr als 1-2 Kinder das Heiratsalter.
Viele Kinder und Erwachsene fielen Seuchen, Hungersnöten und Kriegen zum Opfer. Zwischen 1000 und 1885 wurden allein in Westeuropa 450 Hungersnöte registriert.
Die Pest, damals auch "Schwarzer Tod" genannt, trat 1338/39 erneut in Asien auf und erreichte 1346 Europa. Sie forderte hier im Laufe des 14. Jahrhunderts 25 bis 35 Millionen Todesopfer. Eine erneute Pestepidemie trat während des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) auf. Durch diesen Krieg und die ihn begleitenden Seuchen verlor Europa rund ein Drittel seiner damaligen Bevölkerung.
Im 19. Jahrhundert betrug - statistisch gesehen - die durchschnittliche Lebenserwartung bei Männern 35,6 Jahre und bei Frauen 38,4 Jahre. Mütterlose Kinder, Männer ohne Ehefrau, Witwen – das war zu Beginn des 19. Jahrhunderts kein seltenes Bild.
Regelrecht dahin gerafft wurden die Frauen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts durch das sog. Kindbettfieber bei Geburten. Die Frauen waren fast chancenlos, gegen die katastrophalen hygienischen Verhältnisse – besonders während der Entbindung.
Ein heute ebenso unvorstellbares Bild ergibt sich, wenn man sich dem traurigen Kapitel der Säuglings- und Kindersterblichkeit zuwendet. Die Tatsache, daß häufig nur eines von 12 Kindern erwachsen wurde, illustriert die Dramatik dieses Themas. Heute (2002) ist die Zahl der Säuglings- und Kindersterblichkeit mit 0,79 % minimal geworden, während 1780 14% der Säuglinge starben. Viele kamen dann nicht über das Kleinkindstadium hinaus. Besonders Findelkinder, die ihr Dasein in Heimen fristen mussten, überlebten oft das Kleinkindalter nicht.
Die Ursachen dieser geringen Lebenserwartung? Unter anderem eine schlechte Ernährung, katastrophale Hygienebedingungen und die damit verbundenen Krankheiten. Doch wie sollte man verhindern, daß eine Krankheit ausbrach und sich zugleich rasend schnell verbreitete? Schließlich musste – um nur ein Beispiel zu nennen – ein Brunnen für alle und alles genügen. Hier holte der Vater mit den Kindern das Wasser für das Vieh, anschließend schruppte die Großmutter dort die Wäsche und zuletzt schöpfte die Mutter noch Wasser zum Kochen.
Es war das einfache, und in der Regel bitterarme Volk, das unter Krankheiten und grassierenden Seuchen am meisten litt. Es lebte in vollkommen heruntergekommenen Stadtvierteln, Ortschaften oder einsamen Gehöften, wo alles gleich armselig aussah. Hier rannten die Kinder Sommer wie Winter mit viel zu dünnem Schuhwerk (wenn überhaupt!) im Dreck herum. Die Ratten huschten durch Häuser und Gassen.
Die Alltagsgeschichte dieser Zeit lässt sich nur mühsam rekonstruieren. Wir wissen wenig über das Leben der „breiten Masse“, denn ihr alltägliches Leiden und Sterben war meist nicht überlieferungswürdig. Im günstigsten Fall berichten Kirchenbücher über die Todesursachen dieser Menschen. Doch genau diese Menschen sind die Vorfahren der meisten von uns. Hat ein Genealoge Glück, dann sind ihre (vermeintlichen) Todesursachen in den Kirchenbüchern über einen längeren Zeitraum regelmäßig festgehalten worden. In diesen Fällen lässt sich so anhand der Einzelschicksale manchmal nachvollziehen, wo z.B. Epidemien wüteten. Dennoch ist bei diesen Quellen zu beachten: Kirchenbücher wurden nicht von Ärzten geführt. Aus diesem Grund sind „Fehldiagnosen“ sehr häufig.
Wer heute in Deutschland geboren wird, hat eine um über 30 Jahre höhere Lebenserwartung als derjenige, der vor 100 Jahren geboren wurde. Ein männliches Kind hat in Deutschland heute bei Geburt eine durchschnittliche Lebenserwartung von 75,6 Jahren, die Lebenserwartung einer heute in Deutschland geborenen Frau beträgt durchschnittlich 81,3 Jahre
Quelle:
1. Institit für Bevölkerung und Entwicklung: "Handbuch zum Thema Bevölkerung": URL: http://www.berlin-institut.org/online-handbuchdemografie/bevoelkerungsdynamik/historische-entwicklung-der-bevoelkerung.html [Stand: 21.03.2012]